Griff in die Geschichte (17) 

Lindley in Hamburg

von Hans Poggensee

 

Ein Griff in die Geschichte bezüglich William Lindleys muss zwangsläufig ein kleiner sein, haben doch er und sein Sohn über Jahrzehnte in großen Städten Europas und beinahe auch in Australien Wasserversorgung, Kanalisation und Ingenieurbauten geplant und erstellt.

William LindleyDer am 7. September 1808 geborene Lindley wollte eigentlich 1842 die von ihm mit gebaute Eisenbahnstrecke Hamburg – Bergedorf einweihen, doch wurde dies aufgrund des Hamburger Brandes verschoben und ergab neue Aufgaben für den aus London kommenden Ingenieur. Die Bahn konnte schon zur Evakuierung der brennenden Stadt genutzt werden. Beim Wiederaufbau setzte er sich für die Anlage breiter Straßen ein, die eine Feuerbekämpfung leichter machen sollte. Schon ab 1843 realisierte Lindley ein neues Sielsystem, welches als erstes auf dem europäischen Festland noch bis nach seinem Tode weiter gebaut wurde. Zuletzt war es das Kuhmühlenstammsiel am Baumwall, wo heute auch sein Denkmal steht – direkt vor dem Sieleinstieghaus, welches extra für Kaiser Wilhelm II gebaut wurde.

Allerdings ist das Sielsystem seiner Ansicht nach auch eine logische Voraussetzung für den Aufbau einer modernen Wasserversorgung. Bisher war Trinkwasser aus Feldbrunnen, aus Fleeten oder der Alster entnommen worden. Hier hinein flossen allerdings auch alle Abwässer, was der Qualität und der Hygiene nicht zuträglich war. Lindley plante dagegen, die Fäkalien zu sammeln und in die stärker fließende Elbe zu leiten. Dass diese nun nicht bei Flut zurück in die Kanalisation flossen, verhinderte er durch selbstschließende Klappen.

So konnte er schon 1848 die erste Wasserkunst in Rothenburgsort eröffnen, die Johann Wilhelm Bentz (Hummel Hummel – Mors Mors) arbeitslos machte und auch die Choleraepidemie 1892 die Letzte werden ließ, da die Wasserversorgung immer weiter ausgebaut wurde, auch bis in die Gängeviertel hinein, wo sich vorher die Kankheitserrreger noch ausbreiten konnten.

Er wirkte weiter viele Jahre in Hamburg, obwohl er die meiste Zeit keine eigene Wohnung hatte. Er strebte eine Anstellung als Oberbaurat an, was jedoch durch seinen Widersacher, dem Wasserbaudirektor Hübbe verwehrt wurde, indem er Lindley mangelnde Fachkenntnis unterstellte. Nun zog er mit seiner Frau Julia Heerlein und seinen Söhnen William, Robert und Joseph nach London um.

Danach begann er Projekte in Frankfurt, St. Petersburg und Warschau, sowie Zagreb, Basel und Berlin, die auch nach seinem Tode im Jahre 1900 besonders von seinem Sohn William Heerlein Lindley fortgesetzt wurden.

In diesem Jahr wäre er 110 Jahre alt geworden und kehrt nun zum Kulturerbejahr nach Hamburg zurück. Das Denkmalschutzamt und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften entwickeln gemeinsam eine App, in der Lindley als digitaler Charakter seine eigenen Beiträge zur Großstadtwerdung Hamburgs vermittelt. Bewegungen, Mimik und Sprache eines Schauspielers werden auf eine digitale Lindley-Figur übertragen.

Eine Gewerbeschule, die seinen Namen trug, fusionierte erst 2016 zur Beruflichen Schule Anlagen- und Konstruktionstechnik am Inselpark in Wilhelmsburg.

 

Quellen und Literatur zum Thema in der VHG-Bibliothek:

 

Ortwin Pelc und Susanne Grötz, Konstrukteur der modernen Stadt: William Lindley in Hamburg und Europa 1808 1900; [anlässlich. der gleichnamigen Ausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte].
A.IX.3/010

Hamburger Wasserkünste / Bearbeitet und zusammengestellt von Margit Nehls.
A.IX.3/001

Lindley, William Stadt-Wasserkunst
A.IX.3/102

Lindley, William Stadt-Wasserkunst. Bericht von William Lindley vom 24. Juni 1853.
A.IX.3/103

William Lindley: Erläuterungen über die Anlageund den Zustand der Stadt-WasserkunstAn Eine Hochlöbliche Bau-Deputation.
A.IX.3/104

Leo, Gustav: William Lindley, Ein Pionier der technischen Hygiene. Als Manuscript in begrenzter Anzahl vervielfältigt. Mit Widmung an Julia Lindley in Blackheath, London.
A.XIV.2/1010

Moeck-Schlömer, Cornelia: Wasser für Hamburg, Die Geschichte der Hamburger Feldbrunnen und Wasserkünste vom 15. Bis zum 19. Jahrhundert
A.I.2/008.53

 

Im Internet 

 

https://www.ndr.de/kultur/geschichte/Als-Hamburg-stank-und-Alsterwasser-trank,hamburgwasser120.html

http://www.kulturkarte.de/hamburg/32033sirlind

https://www.hamburg.de/bkm/kulturerbejahr-2018-hamburg/10234046/lindley-2018/

 

 

Frühere Beiträge aus der Kategorie "Griff in die Geschichte"

 

75 Jahre "Operation Gomorrha"

Johannes Brahms

Lessing und der Traum vom Hamburger Nationaltheater

Bergedorf seit 150 Jahren in Gänze hamburgisch

Salomon Heine zum 250. Geburtstag

Die Cholera in Hamburg (1892)

Emil Nolde

Groß-Hamburg-Gesetz ab 1. April 1937

Barthold Heinrich Brockes (1680-1747)

Ein berühmter Disput: der Fragementenstreit

Der Stadtplaner Gustav Oelsner (1879-1956)

Beckett in Hamburg im Jahr 1936

250 Jahre Patriotische Gesellschaft

Matthias Claudius – ein Hamburger?

Internationale Gartenbauausstellungen (IGA) 1953, 1963 und 1973 in Hamburg

100 Jahre Hamburger Stadtpark

  

 

 

 


Ihr Kontakt zu uns

 

Verein für Hamburgische Geschichte
Melanie Pieper (Leitung der Geschäftsstelle)

Kattunbleiche 19
22041 Hamburg (Wandsbek)
Telefon: (040) 68 91 34 64
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Öffnungszeiten:
Mo und Mi 9:30–12:30 Uhr und 13–18 Uhr

Weitere Informationen

 

FB f Logo blue 29 1422897690 xing VHG Mitglied Button lang

 

Zeitschrift des VHG

cover zhg 2019 105 gross

Erfahren Sie mehr über
die wissenschaftliche Fachzeitschrift
des VHG und den aktuellen 109. Band.

 

Mehr erfahren

 

 

 

News - Aktuelles

 

Stellungnahmen zur Rezension von Jakob Anderhandt in der ZHG 108 (2022) über den Band: "Hamburg. Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung", herausgegeben von Jürgen Zimmerer und Kim Sebastian Todzi:

Erklärung des Vorstandes zur Rezension von Jakob Anderhandt, Februar 2023

 

Replik von Kim Sebastian Todzi zur Rezension von Jakob Anderhandt, Dezember 2022

 

Stellungnahme von Jürgen Zimmerer zur Rezension von Jakob Anderhandt, Dezember 2022

 

 

Beitrag des VHG:

"Erinnerungskultur im städtischen Raum - Kontexte und Hintergründe der Debatte um den Wiederaufbau der Hamburger Bornplatzsynagoge" 

 


Veranstaltungen