Griff in die Geschichte (16) 

75 Jahre "Operation Gomorrha"

von Charlotte Wilken

 

Operation Gomorrha jährt sich zum 75. Mal. Die Luftangriffe auf Hamburg haben sich tief in die Erinnerung der Hamburgerinnen und Hamburger eingegraben. Bereits ab 1940 gab es Bombenangriffe auf Hamburg und auch 1944 und 45, aber keiner war so verheerend wie die Aktion „Gomorrha“ im Sommer 1943.

Gerhard Marcks’ Fahrt über den Styx im Innenhof des Mahnmals für die Opfer des Bombenkrieges auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. Photo: NordNordWest, Licence: Creative Commons by-sa-3.0.deZwischen dem 25.7. und 3.8.1943 gab es insgesamt fünf Nachtangriffe der Air Force – der englischen Luftflotte  -  und zwei Tagesangriffe durch die United States Army. Sie hatten den bezeichnenden Namen „Operation Gomorrha“. Die Zahl der Verletzten und Obdachlosen ging in die Hunderttausende. Auch die Infrastruktur (Betriebe, Krankenhäuser, Schulen, Verkehr etc.) wurde zerstört. Die Zahlen der Opfer schwanken in der Berichterstattung, sie lag zwischen 35.000 und 40.000, eine unvorstellbare Zahl. Mehr als die Hälfte der Wohnungen waren vernichtet. Die hamburgische Industrie war gegen Kriegsende bis auf dreiviertel  der Vorkriegskapazität zerstört (A.Mende: Hafen ohne Hinterland in Neues Hamburg, Hrsg. Erich Lüth 1952, S. 23). 

Die Nationalsozialisten versuchten, die Folgen der Katastrophe für sich zu nutzen, und mit Gedenkveranstaltungen und Krenzniederlegungen die Deutungshoheit über die Ereignisse zu behalten. Ein so verheerender Angriff durfteaus deren Sicht auf keinen Fall dazu führen, dass die Moral und der Glaube an den Endsieg erschüttert wurden.

 Auch nach dem Krieg wurde der Bombenopfer gedacht, insbesonderen mit Kranzniederlegungen am Massengrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Malte Thießen hat in seinem Artikel „Erinnerung ist wichtig, aber lernen ist wichtiger“  die Veränderungen der „Erinnerungskultur“ bis heute nachgezeichnet. Inwieweit die Geschehnisse heute noch präsent sind, ist für mich schwer zu beurteilen. Bei historischen Stadtführungen, die ich in Wandsbek durchgeführt habe, stoße ich oft auf großes Erstaunen, wenn ich über das Ausmaß der Zerstörungen spreche.

Diese bewusste Bombardierung der Zivilbevölkerung war keineswegs eine Erfindung der Engländer, sondern eine Strategie im Krieg, die insbesondere auch von den Deutschen eingesetzt wurde. Bereits in einer Denkschrift 1933 hieß es, dass „die Terrorisierung feindlicher Hauptstädte zu  (...) zu einem moralischen Zusammenbruch“  führen solle. Auch in späteren Planungen wird von Seiten der NSDAP darauf verwiesen, wie wichtig es sei, „die Bevölkerung in Schrecken bis zur  Panik“ zu versetzen (Ursula Büttner: „Gomorrha“, Landeszentrale für politische Bildung 1993, S. 13). Im Luftkrieg gegen England war dann auch die Bombardierung englischer Städte erklärtes Ziel. Der Luftangriff auf Warschau zu Beginn des Krieges diente als Testfall. Im September 1939 wurden 560 Tonnen Sprengstoff und 72 Tonnen Brandbomben abgeworfen. Rotterdam und Coventry, Plymouth, London  u.a. waren weitere Ziele der Luftwaffe.

Im Herbst 1941 fiel die Entscheidung in London, Flächenbombardements auf Wohngebiete im Deutschen Reich durchzuführen. Diese Bombardements wurden akribisch vorbereitet und mit Brandbomben ausgeführt. Folge der Angriffe in Hamburg war die Evakuierung der Bewohner, wobei es keine ausgearbeitete Strategie gab. War teilweise das Verlassen der Stadt verboten, wurde auf der anderen Seite die Bevölkerung (insbesondere Frauen und Kinder) aufgefordert, sich im Umland eine Bleibe zu suchen.

Für die Stadtplaner war die Zerstörung Hamburgs eine willkommene Gelegenheit, ihre städteplanerischen Vorstellungen umzusetzen. Es galt nicht, die Städte wiederaufzubauen, sondern „…soviel Schmerz und Kummer die Feststellung (von Tod und Elend) auch sein mag, der Städtebauer möge es sagen dürfen: dieses Werk der Zerstörung wird Segen wirken!  (Düwel, Gutschow: Ein seltsam glücklicher Augenblick, S. 137).

 

Quellen und Literatur zum Thema in der VHG-Bibliothek:

 

In der Bibliothek des VHG finden Sie zahlreiche Berichte und Analysen über die Gomorrha-Aktion, unter der Signatur: A.III.4

Besonders hervorgehoben seien: 

Hans Brunswig: Feuersturm über Hamburg, Stuttgart: Motorbuchverl. 1978
A.III.4.h./ 022  

ganz neu:

Erich Andres: Tod über Hamburg. Fotos und Notizen aus dem „Feuersturm“, 25. Juli bis 1. August 1943.
A.III.4.h / 212

und unter anderen Signaturen:

Jörn Düwel, Niels Gutschow: Ein seltsam glücklicher Augenblick. Zerstörung und Städtebau in Hamburg 1842 und 1843. Berlin: DOM publishers 
A.IX.1 / 237

Die Hamburger Katastrophe vom Sommer 1943 in Augenzeugenberichten. Bearb. von A. Mende: Hafen ohne Hinterland in  Neues Hamburg, Hrsg. Von Erich Lüth 1952, S. 23). 
A.I.2. / 184.38

Malte Thießen: Erinnerung ist wichtig, aber lernen ist wichtiger. Hamburgs Gedenken an den Feuersturm 1943 bis 2008. Zeitschrift des VHG. Bd 94, S.153-180

 

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