Besonderheiten
Wir stellen in dieser Rubrik von Zeit zu Zeit Besonderheiten aus unserer Vereinsbibliothek vor.
Aktueller Beitrag (Nr. 9 - Herbst 2025)
von J. R.
„Wanneer hey jy ins afsnakket?/Van snakken kahmt klakken“ - Richeys Idioticon Hamburgense

Richey widmet sein Werk seinem Patron dem „Hoch-Edlen und Hoch-Gelahrten“ und „Hoch-berühmten Iureconsulto“ Johann Klefeker (1698-1775), Doktor der staatlichen und kirchlichen Rechtswissenschaft, der nach mehreren Missionen und einer Gesandtschaft am kaiserlichen Hof in Wien seit 1725 als Senatssyndikus in Hamburg tätig war: „Wenn Eure Magnificenz nur geruhen wollen mein Idioticon von derjenigen Seite anzusehen, da es sich zeiget, als eine unschuldige Bestrebung, dem Vaterlande zu dienen, wenn es auch nur in Erläuterung seiner Sprache seyn sollte.“ Wie Richey war der mehrsprachige Syndikus Mitglied in der Patriotischen Gesellschaft, außerdem verfasste er Bücher zur Geschichte, zu Gesetzen und Landkarten.
In einer 52-seitigen Vorrede legt Richey seine „Meinung von dem Nutzen und der Nothwendigkeit dieser Art Verzeichnisse“ dar. Er begründet seine Arbeit damit, dass sich einige Gelehrte mit schwäbischen, märkischen, preußischen, westfälischen, holsteinischen oder mecklenburgischen Wörtern befasst haben, aber um die Ausdrucksweisen der hamburgischen Bevölkerung, „um deren eigenthümliche Sprache“, hatte „sich noch niemand bekümmert“. Er bezieht aber auch die umliegenden Dialekte ein, „ohne dennoch unsere Ringmauren zu ganz genauen Grentzen meiner Arbeit zu machen“.
Das Idioticon listet auf über 370 Seiten Ausdrücke, Wendungen, Sprichwörter oder Begriffe auf, die zu Richeys Zeit in Hamburg gebräuchlich waren. In alphabetischer Reihenfolge geordnet sind sie mit kurzen oder langen Erläuterungen in plattdeutsch und lateinisch oder weiteren Sprachen versehen. Hier eine kleine Auswahl zur Illustration:
Een Affschümels: ein ertzliederlicher Bösewicht, ein Schaum von Menschen.//Hörde: ein Gitter-Werck aus Weiden-Stöcken: calathrus vimineus.//Käkel: Plauder-Maul: le caquet. Wo geit em de Käkel: wie gehet ihm das Maul!//Knückel: Knöchel. Anglo-Sax. Cnucl. Angl. Knuckle. Belg. Kneukel.// Pey-Rock: Ueber Rock: surtout, weil solcher gemeiniglich nicht zu fein genommen wird.// Slup-Wächter: mit diesem Nahmen belegt der Pöbel die Gerichts-Diener, apparitores Praetorum.
Außer seinem hamburgischen Wörterbuch enthält Richeys Idioticon vier sprachbezogene Anhänge. Die Dialectologia Hamburgensis bietet unter anderem Anmerkungen zu Vokalen, Konsonanten und zur Konjugation des Hamburgischen. Zusammengestellt von Hauptprediger Hinrich Friederich Ziegler aus Heide folgt eine Sammlung von Wörtern, Ditmarsicum, die hauptsächlich um Dithmarschen herum verwendet werden. Auszüge aus einem niederrheinischen Wörterbuch, genannt Theuthonista, schließen sich an. Den Abschluss des Anhangs bildet ein Ausgabenverzeichnis des Catholicon, ein lateinisches Wörterbuch zur Bibel im 13. Jahrhundert, verfasst von dem Genueser Dominikaner Johannes Balbus.
Das ausführliche Sprach-Nachschlagewerk des hamburgischen Gelehrten Michael Richey ist eine aufschlussreiche Quelle der nicht für Jeden verständlichen, auch heute wohl noch verwendeten Redensarten in und um Hamburg herum. Richeys Wörterbuch des 18. Jahrhundert erhellt vielleicht sogar für Nicht-Hamburger des 21. Jahrhunderts die Mysterien der niederdeutschen Umgangssprache, so dass sein Idioticon auch jetzt noch seinen erhofften Zweck erfüllt: „Ja wem nur wenigstens […] eine vernünftige Einsicht in den Nutzen dieser Arbeit beywohnet, der ist der rechte Mann, dem sich mein Werckchen […] zum besten empfiehlet“.
In unserer Bibliothek sind diese Titel zu finden:
Institut für niederdeutsche Sprache u. Vereinigung Quickborn, Kulturraum und Sprachbildung. Plattdeutsch gestern und heute. Beiträge zum Symposion des Instituts für niederdeutsche Sprache und der Vereinigung Quickborn am 23. Oktober 2004 in Hamburg. Schriften des Instituts für niederdeutsche Sprache, Leer 2007.
A.XIII.3/057
Richey, Michael: Idioticon Hamburgense oder Wörter-Buch, Zur Erklärung der eigenen, in und um Hamburg gebräuchlichen Nieder-Sächsischen Mund-Art, Hamburg 1755.
A.XIII.3/141
Kuhn, Hans / Pretzel, Ulrich (Hrsgg.): Hamburgisches Wörterbuch, 30 Bände, Neumünster 1985.
A.XIII.3 / 195
Jungandreas, Wolfgang (Hrsg.): Niedersächsisches Wörterbuch, 8 Bände, Neumünster 1958.
A.XIII.3 / 196
Ältere Beiträge
- Nr. 8: Der Stadt Hamburg Anno 1685. Neu revidirte Feuer=Ordnung
- Nr. 7: Amtsblatt der freien und Hansestadt Hamburg 1904
- Nr. 6: Die hamburgische Kirchengeschichte von Nicolaus Staphorst von 1723 bis 1729
- Nr. 5: Adam Tratzigers Chronik der Stadt Hamburg von 1557
- Nr. 4: Des Hauptpastors schwungvolle Predigten auf St. Jacobis Kanzel
- Nr. 3: Unsere Sammlung alter Hamburg-Führer
- Nr. 2: Die Bergung der Avaré
- Nr. 1: Ein besonderer Reiseführer