Griff in die Geschichte

1. Juni 1975: Die Eröffnung der Hamburger City-S-Bahn

von Fabian Boehlke

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Am 1. Juni 1975 ging das erste Teilstück der City-S-Bahn, dem sogenannten City-Tunnel in Hamburg, zwischen dem Hauptbahnhof und Landungsbrücken in Betrieb. Knapp vier Jahre später, im April 1979, folgte mit der Abschnitt Landungsbrücken – Altona der zweite Abschnitt, womit der Tunnel durchgehend befahrbar war.

Zuvor lief der gesamte S-Bahn-Verkehr über die  sogenannte Verbindungsbahn mit den Stationen Holstenstraße, Sternschanze und Dammtor zum Hauptbahnhof. Am Bahnhof Altona  hielten die S-Bahnen noch oberirdisch an zwei Kopfbahngleisen. Auch am Hauptbahnhof gab es noch keine Tunnelstation, der S-Bahn-Verkehr erfolgte über die damaligen Gleise 1-3.

Die Grundsatzüberlegungen zum S-Bahn-Ausbau beruhten einerseits auf der starken Auslastung der Strecke auf der Verbindungsbahn. Die Intervalle zwischen den Zügen konnten nicht mehr verkleinert werden, Störungen waren keine Seltenheit und die Aufnahme weiterer Linien – z.B. nach Harburg – wäre nicht möglich gewesen. Zum anderen lag die S-Bahn abseits wichtiger Arbeitszentren, etwa dem Jungfernstieg, und sorgte so bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für längere Wege.

 

Zunächst zog die Stadt Hamburg 1960 noch andere Varianten in Erwägung, etwa einen Ausbau der Verbindungsbahn auf sechs Gleise oder auch eine S-Bahn-Linie, welche deutlich näher am Elbufer, unter anderem über Meßberg und den Altonaer Fischmarkt, verlaufen sollte. Auch die Bundesbahn – als Betreiberin der S-Bahn – legte eine Planung vor. Diese war deutlich innenstadtnäher ausgerichtet und sollte schließlich die Grundlage der späteren Umsetzung bilden, obgleich es noch mehrere Änderungen bei den Details gab. Ebenso flossen damalige Vorplanungen für die alte U-Bahn-Linie 4 mit ein, welche eigentlich in den 1970er Jahren zwischen Osdorf und der Sengelmannstraße gebaut werden und auch die Altonaer Innenstadt durchqueren sollte. Daher verlegte man die eigentlich geplante S-Bahn-Station Große Bergstraße an die Königsstraße, um die Wirtschaftlichkeit beider Verkehrsträger zu erhöhen. Der Bau der U4 wurde allerdings 1974 aufgrund der knappen Haushaltslage abgesagt.

Nach der Grundsatzentscheidung für die neue Strecke im Jahr 1964 und einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der Stadt Hamburg und der Bundesbahn 1967 konnten die Bauarbeiten im selben Oktober beginnen. Dabei wurden knapp 80 Prozent der Kosten durch die Stadt getragen, die restlichen 20 Prozent von der Bundesbahn.

Die Bauarbeiten des Tunnels erfolgten unterschiedlich, überwiegend in offener Bauweise, im Westen zum Teil unterirdisch per Schildvortrieb. Die offene Bauweise wurde auch bei der Durchquerung der Binnenalster gewählt, welche hierfür zeitweise in zwei Teile gespalten wurde. Am Jungfernstieg entstand die Kreuzung mit der U1, welche durch die S-Bahn unterquert wird. Durch eine direkte Treppe zwischen den Haltepunkten ergab sich ein direkter Umstieg zwischen beiden Verkehrsmitteln.

Zwei Jahre nach der Eröffnung des vollständigen City-Tunnels wurde 1981 noch eine Verbindung zwischen Altona und der Station Diebsteich eröffnet, wodurch der Tunnel nun auch für S-Bahnen aus Richtung Elbgaustraße und Pinneberg wendungsfrei befahrbar war. Dies komplettierte die City-S-Bahn.

 

Im Zuge des Tunnelbaus kam es noch zu zwei weiteren Maßnahmen, welche bis heute prägnant sind und nachwirken. Dazu gehört zum einen der Bau der Tunnelstation am Hauptbahnhof, welche heutzutage die stadteinwärts verkehrenden S-Bahnen in Richtung City-Tunnel und Verbindungsbahn nutzen. S-Bahnen in Richtung Bergedorf, Harburg sowie Poppenbütttel/Flughafen befahren die Gleise 3 und 4 (früher 1 und 2) in der Wandelhalle. Das heutige Gleis 5 (früher 3) wurde nach Fertigstellung des Tunnels wieder dem Fernverkehr übergeben.

 

Die noch prägnantere Maßnahme betraf den Bahnhof Altona. Anstelle der ersten beiden Kopfbahnsteige entstand eine Tunnelrampe in die neue unterirdische, viergleisige S-Bahn-Station, in welche der City-Tunnel im Westen mündet. Bereits 1974 war hierfür das alte Bahnhofsgebäude von 1898 abgerissen und durch einen 1979 fertig gestellten Neubau ersetzt worden. Der Abriss erfolgte, da das alte Gebäude nicht für den Bau der S-Bahn-Station ausgelegt sei – eine bis heute umstrittene Entscheidung. Der Neubau aus Betonfertigteilen entstand zusammen mit einer angrenzenden Kaufhoffiliale und erhielt aufgrund seiner Optik im Hamburger Volksmund den Namen „Kaufhaus mit Gleisanschluss“. Der Bahnhof mit seinem Vorplatz ist für Altona bis heute prägend.

 
Viele der damaligen Ereignisse sind bis heute aktuell. Wieder ist die Verbindungsbahn – diesmal die Fernbahngleise – überlastet. Die Stadt Hamburg und der Bund planen mit dem Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET) ein erneutes unterirdisches Bauwerk für die S-Bahn zur Entlastung. Die oberirdischen Gleise sollen stattdessen für den Fern- und Regionalverkehr verwendet werden. Die Planungen hierfür dauern allerdings an und mit einer Fertigstellung ist frühestens in den 2040er Jahren zu rechnen. Münden soll der neue Tunnel im Westen in den neuen Bahnhof Altona, welcher sich auf Höhe der Station Diebsteich bereits im Bau befindet. Abermals gibt es Diskussionen um das neue Bahnhofsgebäude und die darunter geplante S-Bahn-Station. Das „Kaufhaus mit Gleisanschluss“ von 1979 über der Mündung des City-Tunnels soll hingegen abgerissen werden und dürfte um 2030 der Vergangenheit angehören.


Veröffentlichungen zum Thema in unserer Vereinsbibliothek:

Erich Staisch, Die Hamburger S-Bahn. Chronik eines modernen Verkehrsmittels, Hamburg 1979
A.VI.6 / 119

Sven Bardua, Unter Elbe, Alster und Stadt. Die Geschichte des Tunnelbaus in Hamburg, München/Hamburg 2011
A.IX.1 / 079

Lars Brüggemann, Die Hamburger S-Bahn. Von den Anfängen bis heute, Freiburg 2007
A.VI.6 / 060

Christoph Müller, Hamburger Schienennahverkehr. Tram, S-Bahn, U-Bahn, O-Bus, München 2006
A.VI.6 / 137

Wolfgang Pischek/Jan Borchers/Martin Heimmann, Die Hamburger S-Bahn. Mit Gleichstrom durch die Hansestadt, München 2002
A.VI.6 / 118